Was macht ein "gutes" Reisefoto aus?

irgendwie habe ich nicht mit deutschsprachigen Ladenschildern in Afrika gerechnet...
Swakopmund - Namiba

Nun es ist wie bei jeder anderen Fotografie auch. Der spätere Betrachter sollte bei diesem Bild hängen bleiben. Wir leben in einer Zeit, in der wir tagtäglich mit einer enormen Flut an Bildern konfrontiert werden.

Wir haben vieles schon gesehen und so wirklich aufgeregt sind wir auch bei den besten Aufnahmen nicht mehr. 

 

War es früher das Privileg von Journalisten und ganz seltenen Globetrottern, die an die unmöglichsten Orte der Welt gereist sind, so hat man heute das Gefühl, dass die ganze Welt reist. Und diese Welt fotografiert auch ganz gut. Teilweise produzieren diese „Amateure“ Bilder, die vor einigen Jahren noch jeden Profi vor Neid erblassen hätten lassen. Die technischen Möglichkeiten der modernen Kameras und die leichte Verbreitung der Resultate im Internet tun ihr Übriges dazu.

Wir sind also verwöhnt von hervorragenden Bildern und vor allem von tollen filmischen Reiseberichten. 

Und genau das ist dann auch das Problem: Wer will heute noch statische Aufnahmen sehen? Vor allem, wenn diese Aufnahmen im Prinzip nur einen Familienausflug widerspiegeln.

Also, denken sie, bevor sie auf den Auslöser drücken. Oder machen wir es etwas genauer, denken sie, bevor sie die Kamera zur Hand nehmen.

 

Was wollen sie zeigen? Meist lassen sich gute Reisefotos in zwei Kategorien einteilen. Da wären einmal Sehenswürdigkeiten, Highlights, die sich aus dem Thema der Reise ergeben. Diese sind meist schon vor dem Antritt der Reise bekannt. Das Internet oder andere Reiseberichte geben uns schon eine gute Vorstellung von dem, das uns erwartet.

Die zweite Kategorie sind dann Fotos, die einem während der Reise passieren. Schnappschüsse und Situationen, die einem das Leben schenkt.

Sehenswürdigkeiten fotografiere ich immer auf zwei verschiedene Varianten. Erstens den Klassiker. 

So wie die Welt das Motiv kennt, so wird es auch von mir fotografiert.

Nicht besonders einfallsreich und (höchstwahrscheinlich) schon Millionen mal abgelichtet. Aber diese Klassiker gehören in jedes fotografische Portfolio.

Ich glaube, ich habe hier schon einmal den Pariser Eifelturm erwähnt; oder auch eine Gruppe von Elefanten in Afrika. Das sind nicht wirklich Renner, die einen den Puls in die Höhe treiben. Aber sie gehören nun mal dazu. Diese Fotos verwende ich dann meistens als Füller bei Berichten oder Vorträge. Hingucker, bei denen jeder weiß um was es geht. Selbsterklärend.

Bei diesen Fotos lege ich sehr großen Wert auf Qualität. Die müssen scharf, richtig belichtet sein und der Ausschnitt muss auch passen. Die müssen von der technischen Seite her passen.

Sobald die Pflicht erfüllt ist, kommt die Kür. Ich versuche anschließend diese Klassiker nach meinen Stil zu fotografieren. Ein weiteres Bild zu schaffen, dass das Altbekannte interessant „anders“ abbildet. Ab und zu gelingt dies; ab und zu nicht…

 

Schnappschüsse sind anders. Sie sind das Salz in der Suppe der Reisefotografie. Mit diesen Aufnahmen unterscheiden sie sich dann auch von den tausenden anderen Fotografen, die schon den gleichen Weg gegangen und die gleiche Umgebung abgelichtet haben. Richtig gemacht, werden diese Bilder einzigartig. Und das ist der Grund, warum sich die Leute immer noch Bilder ansehen. Guten Schnappschüssen sieht jeder an, dass es sich wirklich um festgehaltene besondere Augenblicke handelt.

Idealerweise sollten auch diese Bilder scharf und richtig belichtet sein. Das ist heute – dank der technischen Leistungsfähigkeit der Kameras – nicht mehr die größte Schwierigkeit. Was sich nicht immer genau einstellen lässt, ist der Bildausschnitt. Je nach eingesetztem Objektiv passt das Motiv nicht immer perfekt in den Rahmen. Das ist aber egal. Naja, bis zu einem gewissen Maß, zumindest…

Bei Schnappschüssen geht es meist auch um Schnelligkeit. Da ist es, ab und zu, auch ganz gut, wenn nicht allzu viel gedacht, sondern einfach der Auslöser gedrückt wird.

Als frei nach dem Motto: Lieber ein unscharfes, etwas verwackeltes Bild vom Yeti, als gar keines!

Bei einem klasse Motiv sollte man sofort ein paar Fotos machen. Wenn dann die Aufregung verflogen und das Motiv immer noch da ist, dann konzentrieren wir uns wieder auf eine gute klassische (oder auch bewusst unkonventionelle) Aufnahme.

In der Praxis zeigt es sich sehr oft, dass dies nicht immer möglich ist. Dass einem wirklich nur der kurze Augenblick zur Verfügung gestanden hat.

Wahrscheinlich ist das einer der Gründe warum es keine scharfen Bilder vom Yeti gibt.

 

In solchen Situationen können wir meist  aber auch klar erkennen, dass es wenig bringt, wenn ich zehn Objektive in der Tasche habe, weil mir in dem kurzen Augenblick einfach nicht die Zeit bleibt, die Optik zu wechseln!

Ich verwende für solche Gelegenheiten immer ein leichtes Weitwinkelobjektiv. Entweder eine lichtstarke Festbrennweite oder ein (auch lichtstarkes) Weitwinkelzoom.

Zooms sind zwar flexibler einsetzbar, weil, durch einen kurzen Dreh am Objektiv, doch ein idealerer Bildausschnitt eingestellt werden kann, aber man ist trotzdem meist um diesen „Dreh“ langsamer.

Bei Fixbrennweiten stellt sich dieses Problem erst gar nicht. Etwaige „Schlampereien“ lassen sich – immer vorausgesetzt, die Optik und die Auflösung der Kamera sind gut, später noch am Computer korrigieren.

Hier ergibt sich auch ein weiterer Vorteil. Wenn ich mit einer minimalistischen Kameraausrüstung am Weg bin, ergeben sich auch keine Probleme mit dem Gewicht.

 

Bei mir hängt die Kamera immer an der Schulter. So ist sie ganz gut geschützt und man fällt in vielen Situationen weniger auf.

Gerade in Afrika und teilweise auch in Asien, erregt ein weißhaariger, 193 Zentimeter großer und gut 100 Kilogramm schwerer Europäer immer Aufsehen. Oft bin ich auch in etwas „ärmeren“ Gegenden am Weg und da ist es nicht notwendig, eine mehrere tausend Euro teure Ausrüstung, allzu offen spazieren zu tragen. Aber das ist eine andere Geschichte…

 

Über was sollten wir noch reden?

Grundsätzlich bin ich ein Freund von „einfach darauf halten und auslösen“. Das geht in der Anonymität einer Stadt ganz gut.

Wenn einem ein Motiv anspringt, die Rahmenbedingungen es zulassen, kann man aus dem Schnappschuss auch eine gestaltete Aufnahme machen. Meist sind es Einheimische, die aufgrund ihres Auftretens, ihrer Kleidung, ihres Berufes unser Interesse wecken. In diesen Fällen empfiehlt es sich, wenn höflich um Erlaubnis gebeten wurde, eine Aufnahme zu machen.

Das hat den Vorteil, dass plötzlich viel mehr Zeit zur Verfügung steht und man (etwas) gestaltend in den Bildaufbau eingreifen kann.

Es ist auch eine Frage der Höflichkeit und Achtung vor dem Gegenüber. Schließlich will auch keiner von uns ohne seine Zustimmung fotografisch „abgeschossen“ werden.

Ich habe schon viele Bilder von Personen gemacht, so gut wie immer um Erlaubnis gefragt und fast immer diese auch bekommen.

Was ich nie gemacht habe, ist mit Geld dafür zu bezahlen. Nicht für die Aufnahme. Was immer wieder vorkommt, dass ich einem Händler etwas abkaufe, oder dass ich dem Fotografierten ein Bild per Post oder Email schicke. In Myanmar habe ich einmal im Zuge einer Fotoserie mit Kindern, dann die ganze Schule auf eine Cola eingeladen.

 

Es hat sich auch bewährt, wenn sich die Umgebung etwas an den Fotografen gewöhnen kann.

Wenn ich in einer etwas „exotischeren“ Gegend in einem Dorf oder auf einem Markt am Wege bin, habe ich mir angewöhnt mein „drei Stufenprogramm“ einzusetzen:

  1. Ich erscheine (pfoah! Klingt das abgefahren!) und spaziere ganz offen durch die Straßen oder die Menschenmenge. Das gibt den Leuten die Möglichkeit zu schauen, ihre Neugierde zu befriedigen und mich einzuschätzen. Ich schaue mir die Umgebung an, trinke vielleicht einen Kaffee (oder sonst etwas). Wie bereits gesagt: man(n) fällt immer auf und wird auch beobachtet. Da ist es ganz OK, wenn man(n) auch beobachtet und die Menschen beachtet.
  2. Nach einer gewissen Zeit wird meine Kamera sichtbar. Sie hängt jetzt nicht mehr unter der Schulter – oder ist in der Tasche – und wird sichtbar getragen. Das muss nicht übertrieben werden. In Ländern wo manche Menschen zwei Stunden bis zum nächsten Brunnen gehen müssen um Wasser zu holen, fällt die Kamera auch auf, wenn sie dezent getragen wird…
    Wieder sollte den Menschen die Gelegenheit geboten werden, sich an den „Fremdkörper“ zu gewöhnen.
  3. Irgendwann wird der „Eindringling“ dann akzeptiert. Wir werden zwar immer noch auffallen, aber das örtliche Tagesgeschäft ist wieder in den Vordergrund gerückt. Erst dann beginne ich zu fotografieren.

Diese Vorgehensweise klappt meistens ganz gut. Es ergeben sich dann Situationen, die einen vom Urlauber zum „Reisenden“ machen. Abgesehen von den Erfahrungen und Bildern die sich aus solchen Situationen ergeben.

Was allerdings als Fotograf – und überhaupt als Fremder – nie vergessen werden darf, ist die Tatsache, dass wir nur Gäste sind und uns dementsprechend zu verhalten haben. Hier (und mir ist bewusst, dass ich mich soeben auf sehr dünnes Eis begebe…) müssen wir deutschsprechenden Reisenden uns immer wieder an der Nase nehmen.

 

Also, ihr lieben Seelen da draußen: immer freundlich und höflich bleiben und auch ein Nein akzeptieren.

Was mich betrifft, könnte ich Dutzende Fotoalben mit Bildern füllen, die ich nicht gemacht habe…